WA 6, 'Von den guten Werken' (1520), 245v: 'Denn Maß und Regel des Fastens, Wachens und Arbeitens soll ja niemand nach der Speise, der Menge oder den Tagen richten, sondern nach der Abnahme oder Zunahme der fleischlichen Lust und des Mutwillens. Nur deretwegen, um sie zu töten und zu dämpfen, ist das Fasten, Wachen und Arbeiten eingesetzt worden. Wenn diese Lust nicht wäre, dann gälte Essen soviel wie Fasten, Schlafen soviel wie Wachen, Müßigsein soviel wie Arbeiten, und das eine wäre so gut wie das andere, ohne allen Unterschied. (…) Denn der Leib ist nicht dazu gegeben, dass wir ihm sein natürliches Leben oder Werk abtöten, sondern nur, dass wir seinen Mutwillen töten; außer wenn dieser Mutwille so stark und so groß wäre, dass man ihm ohne Verderben und Einbußen am natürlichen Leben nicht hinreichend widerstehen könnte. Denn, wie gesagt, bei Übungen des Fastens, Wachens, Arbeitens soll man das Augenmerk nicht auf die Werke an sich richten, nicht auf die Tage, nicht auf die Menge, nicht auf die Speise, sondern bloß auf den übermütigen und geilen Adam, dass dem der Kitzel dadurch verwehrt werde.'